Als Cowfunding Gründer Moriz Vohrer vor 5 Jahren begonnen hatte, eigene “Berglämmle vom Schauinsland” online zu vermarkten, war eine neue Idee geboren: Warum nicht anderen Landwirten mehr Sichtbarkeit im Online-Geschäft ermöglichen und dabei fair bezahlen? Diese Zielsetzung war die Vision von unserem Start-up “Cowfunding – Faires Weidefleisch aus dem Schwarzwald”. Seitdem hat sich viel getan. Dennoch müssen wir ab Januar 2022 schließen. Warum erfahrt ihr hier:
Das Biosphärengebiet Schwarzwald, der badenova Innovationsfonds und die überhaupt beste Kundschaft, die man sich wünschen kann, waren überzeugt von dem Konzept. Die Förderungen haben in den ersten Jahren vieles ermöglicht und so konnten der Kundenstamm, die Reichweite, sowie das Team kontinuierlich wachsen. Unser Ziel war es, nicht nur eine regionale, onlinebasierte Bezugsquelle für faires Weidefleisch zu werden, sondern vor allem auch Botschafter zu sein. Botschafter für wichtige Themen wie eine transparente Wertschöpfungsketten, faire Entlohnung, Sichtbarkeit in der Landwirtschaft, den Erhalt von alten Nutztierrassen und bewussten Fleischkonsum. Diese Bildungsarbeit haben wir aus Überzeugung geleistet. Solche Werte umzusetzen, zu kommunizieren und in die Wirtschaftlichkeit zu bringen, braucht Zeit. Das Wachstum unseres Geschäftsmodells war leider zu langsam, als dass wir ab nächstem Jahr bereits auf eigenen Füßen stehen könnten.
Dass es ab 2022 bei uns schwierig werden würde, das wussten wir. Darum haben wir uns bereits früh um weitere Fördertöpfe bemüht. Insgesamt waren es mehr als 15 Bewerbungen, die wir an unterschiedlichen Stellen eingereicht haben. Leider vergebens. Wir sind auf die Herausforderung gestoßen, dass zum einen viele Fördertöpfe nur neue, innovative Gründungen finanzieren – nicht jedoch eine Folgeförderung für Projekte in der Aufbauphase. Zum anderen schien auch das Thema “Unterstützung der nachhaltigen und bäuerlichen Landwirtschaft durch digitale Direktvermarktung” nicht ausreichend auf der Prioritätenliste der Fördertöpfe unserer Politik zu stehen.
Wie es mit Cowfunding nun weitergeht
Cowfunding wird es ab 2022 in der bisher bekannten Form vorerst nicht mehr geben. Gleichzeitig freuen wir uns riesig, dass unsere Partnermetzgerei Schmidt’s Wurstlädele das Zepter übernimmt. Wie Cowfunding weitergehen wird, erfahrt ihr im Video! Wir sind gespannt!
Von Marco Polo bis zur BILD Zeitung
In den Medien war unser Projekt ein gern gesehenes Thema. So waren wir den lokalen Zeitungen und regionalen Magazinen über ein dutzend mal einen Artikel wert. Selbst die FAZ, die Süddeutsche und die BILD haben über uns berichtet. Unser Aprilscherz-Post hat es im vergangenen Jahr sogar in die Fachpresse geschafft. Der SWR ist gleich mehrfach mit seinen Filmteams in Gummistiefeln bei uns und unseren Landwirt:innen aufgeschlagen. Letztes Jahr waren zwei unserer Junglandwirte mit einem Beitrag zur Primetime in der Landesschau zu sehen. Der Filmdreh mit dem badenova Innovationsfonds beim Weideauftrieb war schweißtreibend und Highlight zugleich. Im Jahr 2020 hat uns der Marco Polo Guide gelistet. Wenn man jetzt noch die überregionale Presseberichte und Fachartikel mit einbezieht, können wir stolz sagen, dass Cowfunding viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommen hat. Immer wieder wurde uns in Gesprächen gespiegelt, dass wir als Vorzeigeprojekt in der Region bekannt und geschätzt sind. Und dennoch sehen wir, dass unser Geschäft auch nach 5 Jahren noch deutlich zu klein ist, um sich zu tragen.
Cowfunding in Zahlen und Fakten
In den letzten 5 Jahren haben wir insgesamt 25 Landwirt:innen bei der Direktvermarktung von fairem Weidefleisch unterstützt. 15 Landwirt:innen kamen dabei aus dem Biosphärengebiet Schwarzwald, die anderen 10 aus dem Naturpark Südschwarzwald, dem Schwarzwald Mitte/Nord und der Rheinebene.
Insgesamt haben wir mit unseren Landwirt:innen 58 Rinder, 129 Lämmer, 20 Schweine und 166 Weidehühner vermarktet. Umgerechnet macht das fast 10 Tonnen faires Weidefleisch aus dem Schwarzwald. Wir haben über 2.500 Bestellungen an mehr als 1.200 Kund:innen geliefert und somit mehr als 84.0001 Teller mit fairem Weidefleisch aus dem Schwarzwald gefüllt. Insgesamt haben wir – bzw. habt ihr – unsere Kund:innen und Unterstützer:innen, somit mehr als 250.000 € in eine faire und regionale Wertschöpfungskette investiert und nachhaltig wirtschaftende Landwirt:innen in ihrer wertvollen Arbeit beim Erhalt von Artenvielfalt, Weideflächen und vom Aussterben bedrohten Nutztierrassen unterstützt.
Wir sind stolz darauf, wie viel wir in der Region bewegen konnten! Darüber hinaus durften wir viele Menschen auf unserem Weg inspirieren und selbst unglaublich viel lernen. Doch gleichzeitig ist das im Großen und Ganzen nur ein winziger Tropfen auf den heißen Stein der Fleischbranche.
David gegen Goliath – 5 Jahre vs 17 Minuten
Zum Vergleich: Laut eigenen Angaben2 hat der Fleischkonzern Tönnies eine tägliche Fleischproduktion von 850 Tonnen (!!) industriellem Fleisch. Umgerechnet haben wir in 5 Jahren also so viel Fleisch vermarktet, wie Tönnies in 17 Minuten produziert. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – 5 Jahre in 17 Minuten.
Für uns sind das unglaubliche Zahlen, die zeigen wie weit wir als Gesellschaft noch entfernt sind von klein-skalierter, nachhaltiger Landwirtschaft und fairer regionaler Lebensmittelproduktion. Es zeigt uns auch, wie wichtig es ist weiter an der Sensibilisierung für einen bewussten Fleischkonsum zu arbeiten, um die Landwirte und Handwerksbetriebe zu unterstützt, die mit Leidenschaft und Respekt vor Tier und Mensch faires Weidefleisch produzieren. Billigfleisch aus dem Supermarkt ist keine Alternative!
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Als kleines Startup Innovation und Nachhaltigkeit voranzutreiben und gleichzeitig am Markt zu bestehen ist immer eine schwierige Aufgabe. In der Regel verschwinden 9 von 10 Startups innerhalb der ersten 5 Jahre nach der Gründung wieder. Viele davon haben tolle innovative Ideen. Manchmal sind sie jedoch ihrer Zeit zu weit voraus. So geht es uns auch mit dem fairem regionalen Fleisch. Bis heute isst Deutschland noch fast 90%3 Billigfleisch. Da wird deutlich, dass wir uns mit unserem nachhaltigen Weidefleisch immer noch in einer kleinen Nische befinden. Aber von unseren Nachhaltigkeitskriterien abzurücken, kam für uns nie in Frage.
“Wir müssen endlich aufhören, uns zu Fragen, warum gute Lebensmittel so teuer sind und anfangen uns zu fragen, warum die anderen so billig sind.” (Moriz Vohrer)
Warum macht ihr nicht weiter, ist es wirklich so schlimm?
Leider ja! Die Produktionszahlen kennt ihr ja schon – aber was bedeutet das für die Wirtschaftlichkeit von Cowfunding? Hier also mal ein paar weitere Zahlen.
Während wir 2019 noch einen Jahresumsatz von ca 26.000 € hatten, konnten wir diesen im Folgejahr um fast 250% auf knapp 90.000 € steigern. 2020 war das erste Jahr der Corona-Pandemie. Unser Privatkundengeschäft mit online Versand wuchs in dieser Zeit beachtlich, doch unser zweites Standbein erlitt Schiffbruch. Wir hatten alles vorbereitet, um fortan an Gastronomien der Region zu liefern, doch diese waren nun erstmal monatelang geschlossen. Mit der sich aktuell weiter ausbreitenden Pandemie rückt ein zweites Standbein in der Gastronomie erneut in weite Ferne. In 2021 konnten wir unseren Zuwachs im Privatkundengeschäft verstetigen und weiter ausbauen. Unser voraussichtliche Jahresumsatz wird ungefähr 100.000 € betragen.
Und da sind wir bei der Sache mit der Marge und der goldenen Nase: Wir haben im Schnitt ungefähr 25% Marge auf unser Fleisch aufgeschlagen und dabei eine ganze Menge Risiko getragen. Denn die Idee von Cowfunding, immer 100% eines Tieres zu verkaufen, bedeutete für uns auch, dass wir immer 100% verkauften mussten, um überhaupt Gewinn zu machen. Sobald wir bspw. 3 Fleischpakete zu wenig verkauft haben, ist bei uns bereits ein Großteil des Gewinns weggefallen. Dadurch hatten wir wenig Flexibilität, um die Produktion über die aktuelle Nachfrage der Privatkund:innen hinweg zu steigern.
Doch zurück zur Marge: 25% klingt für manche vielleicht so, als würden wir uns damit eine goldene Nase verdienen. Doch verglichen mit Preispolitik im Lebensmitteleinzelhandel ist das ein Witz. Hier sind Margen von 50-70% üblich u.A. auch, um MHD Ausfall einzupreisen. Für uns bedeuten 25% Marge auch, dass 65% unseres Geldes an unsere Landwirte und die Metzgerei geflossen sind. Darauf sind wir stolz, denn wir haben den Landwirten im Schnitt 30% mehr bezahlt als die üblichen Marktpreise und die Metzgerei wurde fair für ihre Dienstleistungen entlohnt.
Wenn wir uns nun die 100.000 € Jahresumsatz anschauen und 25% darauf anwenden, macht das nach Adam Riese 25.000 € Netto-Einnahmen. Wir hatten also 25.000 €, um all unsere Kosten für Gehälter, Büromiete, IT, Marketing, Grafikdesign, Buchhaltung, Versicherungen, etc. zu decken. Surprise, surprise die Rechnung geht nicht auf. Uns war von Beginn an klar, dass wir einen Jahresumsatz von 250.000 € erreichen müssten, um zumindest eine Vollzeitstelle (bzw. zwei Teilzeitstellen) finanzieren zu können. Ein Ziel, was ohne ein weiteres gut laufendes Standbein in immer weitere Ferne rückte.
Die Sache mit dem hohen Anspruch!
Nach vielen Überlegungen in den letzten Monaten wie wir unser Geschäftsmodell anpassen könnten, sind wir vielleicht auch an unseren eigenen Ansprüche der Nachhaltigkeit gescheitert. Faire Preise, ökologischer Haltung, regional Wertschöpfungskette – “die Kuh doch noch vom Eis holen” war unser Ziel. Doch nun haben wir der Wirklichkeit tief in die Augen geschaut und unsere Entscheidung getroffen.
Cowfunding wird es in der bisher bekannten Form ab Januar 2022 bedauerlicherweise nicht mehr geben können.
Was passiert jetzt mit euren Werten?
Auch wenn wir gehen, soll unsere Vision einer fairen, transparenten und wertschätzenden Wertschöpfungskette mit regionalem Weidefleisch weiterleben. Wir haben uns gefragt, ob wir als Vermarkter und Koordination vielleicht ein Glied zu viel in der Wertschöpfungskette waren? Vielleicht haben wir ja genügend Vorarbeit geleistet, um die Wertschöpfungskette noch direkter zu gestalten? Vielleicht ist es an der Zeit, dass unsere Partnermetzgerei “Schmidt’s Wurstlädele” nun das Ruder übernimmt und somit die Kette noch direkter wird – von den Landwirt:innen zum Metzgerei direkt zu den Kund:innen. Für alle transparent und rückverfolgbar bis zum Tier.
Klingt wie ein kleiner Schritt, doch für eine kleine familiengeführte Metzgerei ist es eine ziemliche Innovation und gleicht eher einer Mammutaufgabe, zukünftig zusätzlich noch einen Webshop zu betreuen, Landwirt:innen zu koordinieren, Lieferscheine zu erstellen und Bestellungen per Express Versand mit ökologischen Verpackungsmaterialien zu verschicken, ach ja… und ganz nebenbei sollen die sozialen Medien und ein Newsletter mit unterhaltsamen und gleichzeitig mehrwertige Beiträgen bespielt werden. Vieles davon haben unser Metzgermeister Michael Schmidt und sein Team in den letzten fünf Jahren schon mit uns aufgebaut. Wir sind überzeugt, dass Michael auch den nächsten Schritt mit viel Leidenschaft und Professionalität gehen wird!
Unsere Hoffnung – Cowfundings future
Es wird sich bald zeigen, ob die Metzgerei Schmidt unsere Arbeit in den eigenen schon sehr vollen Berufsalltag einbinden kann. Das Team Cowfunding ist motiviert mit Erfahrungswerten, Gesprächen und Ideen die Übergabe zu unterstützen. Und in der Zukunft kann dann jeder von euch unterstützen – ganz einfach – mit einem Einkauf! Denn ihr könnte mit jedem Euro entscheiden, was für eine Wirtschaft und wen ihr unterstützen möchtet.
Und was passiert mit Team Cowfunding?
Niklas – unser Koordinator – wird neue Wege einschlagen. Er ist gespannt auf neue Herausforderungen und freut sich auch ein bisschen darüber, seinen Schreibtisch zukünftig wieder gegen mehr Arbeit mit der Natur eintauschen zu können. Gleichzeitig wird er aber auch weiterhin seiner Vision nachgehen: Landwirt:innen auf ihrem Weg hin zu einer kleinskalierten, regenerativen und profitablen Landwirtschaft zu unterstützen. Wie genau dieser Weg in Zukunft aussehen wird, ist derzeit noch offen. Doch fest steht, dass die wertvollen Erfahrungen aus der Arbeit bei Cowfunding ein weiteres Puzzleteil dafür sein werden.
Barbara – unsere Kommunikationsverantwortliche – macht sich Gedanken darüber, inwieweit ihr sonstiges Berufsfeld (Genussführungen, Veranstaltung, Stadt-Landverbindung) mit dem neuen Cowfunding Format verbinden und ergänzen lässt. Stichwort Kulinarische Events.
Moriz – unser Initiator und Motivator – hat das Projekt mit ganz viel Herzblut aufgebaut und wird der Freiburger-Nachhaltigkeits-Food Szene sowie dem Biosphärengebiet sicherlich mit seinen Ideen und Expertise weiterhin treu bleiben.
Jetzt ist aber wirklich mal Schluss
Es fällt uns schwer hier einen Abschluss zu finde. Es gäbe noch so viele Gedanken, die wir teilen möchten, so viele Ideen, die wir umsetzen könnten und so viele Gespräche, die wir gerne führen würden. Aber alles hat ein Ende – und in unserem Falle können wir uns getrost dem etwas überstrapazierten Ausdruck “nur die Wurst hat zwei” hingeben, denn ihr werdet weiterhin von uns hören – nur halt anders.
Das wichtigste ganz zum Schluss: Die Oscar-Verleihung
Vielen Dank erstmal an Euch – ihr vielen Tausend Unterstützer:innen!
Biosphärengebiet Schwarzwald und badenova Innovationsfonds – unseren Felsen in der Brandung. Dank im Besonderen das Team der Geschäftsstelle des Biosphärengebiets und Richard Tuth und sein Team vom badenova Innivationsfonds für eure Unterstützung, Ratschläge und Impulse.
Unsere Landwirt:innen – ihr macht das großartig
Metzger Michael Schmidt und seinem Team – danke für eure Professionalität, eure Offenheit, gemeinsam neue Wege zu gehen und den freundschaftlichen Kontakt
Grünhof – immer innovativ und mit Ideen und Netzwerken zur Stelle
Alle die über uns berichtet haben – ihr seid Hammer
Und überhaupt allen, die uns bis hierher begleitet haben – für immer dankbar
Bleibt uns weiterhin verbunden.
Euer Team Cowfunding
Moriz, Barbara & Niklas